Patricia Vester - Künstlerin, Illustratorin, Schwarze Aktivistin

Shownotes

Triggerwarnung - In dieser Podcastfolge werden Formen von Gewalt (körperliche, psychische und sexualisierte Gewalt und Rassimus) und Selbstmord thematisiert. Von Minute 6:20-7:21 und von Minute 13:45-17:16.

Patricia Vester ist in Potsdam geboren und aufgewachsen. Die Illustratorin zeichnet Bücher, Graphic Novels, Poster und vieles mehr. Ihre Erfahrungen als Schwarze Deutsche haben ihr politisches Bewusstsein geprägt und geschärft. Mit ihrer Arbeit unterstützt sie oft Schwarze Gemeinschaften und sozialpolitische Projekte in Brandenburg, auch ohne Bezahlung. Sie wird als Artist in Residence und als Prozessbegleiterin engagiert. Zuletzt von Museen, Sammlungen und Universitäten, die sich mit ihrer kolonialen Vergangenheit auseinandersetzen. „Decolonize“ ist ihr Thema - derzeit und in Zukunft. Denn Bildung, Sprache und vieles mehr muss auf den Prüfstein.

Instagram von Patricia Vester: https://www.instagram.com/patriciavester.illustrations/

Patricias Film „Was ist/das ist eine Intervention“: https://www.youtube.com/watch?v=gEWNwhtLtIs

Homepage der Sonderausstellung „Schlösser, Preussen, Kolonial“: https://www.spsg.de/aktuelles/ausstellung/schloesser-preussen-kolonial/

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Patricia: Patricia: Wenn wir über die NS Zeit sprechen können, dann müssen wir auch über die Kolonialzeit sprechen und das sogar dringender, weil das noch weiter vorliegt und weil das die Basis von allem ist. Es umgibt uns jeden Tag. Und das sichtbar zu machen, wo das drinsteckt, dass wir heute so handeln, wie wir handeln und die Politik heute so ist in Deutschland wie sie ist aufgrund dieser kolonialen Geschichte – das zu erkennen ist wichtig.

Soundbett: Soundbett

Moderation: Moderation: Das ist Patricia Vester. Künstlerin, Illustratorin und Aktivistin aus Potsdam. Um sie geht es in dieser achten Folge unserer Reihe „Vielfalt in Brandenburg“. In diesem Podcast wollen wir Menschen aus Brandenburg und ihre Lebensentwürfe vorstellen und darüber sichtbar machen, wie vielfältig Brandenburg ist. Mein Name ist Bettina Ritter.

Jingle: Jingle: „Vielfalt in Brandenburg. Ein Podcast der Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg“

Moderation: Moderation: Ich treffe Patricia in Potsdam. Hier ist sie geboren und aufgewachsen.

Patricia: Patricia: Ich bin zum Reisen und zum Lernen weg gewesen und hatte auch schon ein paar Mal drüber nachgedacht auszuwandern. Aus verschiedenen Gründen, also familiär, projektbezogen etc. Aber Potsdam – hier ist mein Leben, meine Freunde, ich lebe das hier. Und mein Sohn, ich habe ja mit meinem Sohn hier gewohnt zuvor. Nee. Ich bin den Potsdamer Frauen und allem was hier passiert sehr verbunden und habe eben auch ganz viele Projekte hier am Laufen gehabt. Von daher gab es für mich nie den Schritt, das letztendlich zu tun. Und jetzt bin ich unterwegs in anderen Städten, aber immer von hier aus, also immer so die Basis. Und dann gehe ich zurück, mache Projekte woanders.

Moderation: Moderation: In Potsdam lebt sie in einer Dachgeschoss-Altbau-Wohnung mit großer Küche und einem Wohn-Arbeitsraum. Ein Mini-Loft. An der Wand über ihrem Schreibtisch hängen viele Bilder, darunter Schriftzüge und Zeichnungen von ihr. Gerade hat Patricia Vester ein Buch, eine Graphic Novel – abgeschlossen. Darüber werden wir später mehr erfahren. Jetzt bereitet sie sich auf neue Projekte vor.

Patricia: Patricia: Und wenn ich dann fertig bin, mache ich eine kurze Pause, so wie jetzt. Räume meinen Schreibtisch auf. Und, ähm, gucke noch mal, was ist an meiner Wand, was muss ich machen? Ich zeichne immer überall, im Klo, an Fliesen, das komplette Bad ist voll gekritzelt mit Skizzen – da kann man mit Board-Markern, aber das geht mega gut – mit Board-Markern drauf skribbeln so, und dann wische ich das alles ab, sammel das alles ein und mach Platz für das neue Projekt. [...] Und nebenbei nehme ich immer die Kalimba in die Hand. (Sound Kalimba setzt ein und bleibt unter Oton) Davon habe ich ganz viele verschiedene, die liegen ja überall rum. Ich brauch das. Um mich zu entspannen, brauche ich diese Instrumente um mich herum, damit ich mich sammeln kann. [...] Und dann stehe ich hier vor meinem Schreibtisch und denke nach. Außerdem entstehen Bücher ja nicht von selbst, sondern es ist ein ewiger Prozess. Ich denke den ganzen Tag nach. Und immer, wenn ich überall, wo ich stehe, sitze, denke ich und kommt mir das Thema in den Sinn und dann muss ich immer überall irgendwo Notizen machen und mitzeichnen. Und dann stehe ich herum und gucke, wo ich jetzt weitermachen muss. Und an der Wand hängen meine ganzen Projekte und erinnern mich daran, was jetzt der nächste Schritt ist. Und dann baue ich so Papier-Blocks und klebe das aneinander und irgendwann wird das ein Buch oder eine Geschichte oder ein Artikel oder was auch immer.

Atmosphäre: Atmosphäre Kalimba

Moderation: Moderation: An diesem Arbeitsplatz entstehen viele Projekte: Poster, Illustrationen für Buchcover, Graphic Novels. Patricias Stil ist geometrisch klar: Kreise, Spiralen, Linien, Muster, Symbole, manchmal gemischt mit Buchstaben, die Worte formen.

Patricia: Patricia: Wie bin ich Illustratorin geworden? Im Tun. Ich habe eine Liebe gehabt. Konrad Endler, der ist ein toller Lesebühnenautor und der hat Bücher geschrieben und CDs produziert und so, und dann wollte er ein Buch machen. Und dann hat er mich gefragt, ich habe gesagt, ich mach dein Cover und ich mach dir so kleine Vignetten und ein paar Illustrationen. Und dann hat der Verlag gesagt, sag mal, das ist doch schön. Hast du noch was auf dem Schreibtisch? Und dann habe ich gesagt, ja, ich habe noch was auf dem Schreibtisch. Und dann habe ich mein erstes Buch veröffentlicht, "Nackte Frauen", und da ging es darum, wie Frauen sich fühlen. Und das habe ich illustriert und dachte so, Ja, das habe ich dann einfach mal so gemacht, weil ich es wollte. Über den Periplaneta-Verlag, die waren auch ganz toll und so bin ich und wieder so reingeplauzt. Und dann hat sich das so entwickelt, dass ganz viele Menschen gesagt haben, das machst du toll, kann ich von dir auch ein Bild haben. Oder willst du uns auch was illustrieren oder kannst du nicht für das Projekt oder für jenes Projekt? Dann ist das wie so ein Baum gewachsen.

Moderation: Moderation: Inzwischen war Patricia mehrmals Artist in Residence. In England illustrierte sie für das „Lets Dance International Frontier“ Tanzfestival in Leicester, das vom Serendipity Institute for Black Arts and Heritage veranstaltet wird. Oder sie gestaltete zusammen mit der Autorin, Podcasterin und Rassismuskritik-Trainerin Tupoka Ogette das Buch „Tag für Tag aktiv gegen Rassismus – Dein Journal“. Sie selbst ist Tochter einer weißen Mutter und eines Schwarzen Vaters.

Patricia: Patricia: Ich bin ja als Schwarze Deutsche aufgewachsen und bin mit schlimmen Dingen konfrontiert worden. Meine Mutter auch. Es musste ja eine Auseinandersetzung damit geben, weil ich darauf ja tagtäglich angesprochen worden bin. In der Schule musste ich einen Umgang damit finden, in der Disco, im Sein, in ersten Beziehungen, wenn Eltern, wenn eine Mutter sagt, dieses Mädchen kommt mir nicht ins Haus, was macht man dann? So eine kommt mir nicht ins Haus. Was macht man dann? Oder eben, als es darum ging, dann hier im Osten, wir gejagt worden sind mit Baseballschlägern und so, also diese Dinge, und ich das dann aber noch mal weiter erleben musste, als mein Sohn dann geboren wurde und jetzt, Jahrzehnte später auch wieder Dinge, also ihm ebenso Dinge passiert sind und Übergriffe. Das ist schwierig. Also die Auseinandersetzung hat von Stunde null an stattgefunden in der Kita. Ich habe Briefe meiner Mutter gefunden. Sie hat sich Sorgen gemacht, wie ich aus dem ersten Schultag zurückkomme und ob jemand schlimme Dinge zu mir sagt, und wie das sein wird, mein erster Schultag, habe ich in ihrem Tagebuch gelesen. Und mein Vater war der erste Schwarze Mann, den das Dorf je gesehen hat. Und das war sicher nicht einfach für meine Mama. Die Zeiten waren schwer und ja, ihr wurde auch noch in den Kinderwagen gespuckt.

Musik: Musik: Kalimba

Moderation: Moderation: Potsdam ist Patricias Heimat – die aber auch schon Bedrohung war.

Patricia: Patricia: Also Potsdam war eine unsichere Stadt in den 80er, 90er Jahren. Ich habe auch rassistische Gewalt, Übergriffe erlebt, persönlich, meine Familie auch. Und dann hat sich das aber gewandelt. Es gab ja auch die Phase oder die Zeiten der befreiten Zonen und also so schwierige Themen und viel Nazi Begebenheiten. Aber ich habe eben auch ganz viel Support erfahren hier in der Hausbesetzerszene. Zuerst viel Schutz erfahren und später dann hat die Stadt sich auch mit dem Motto "Potsdam bekennt Farbe", viele Städte machen das ja. Ich fand das gut und fand schön, für mich persönlich zu erleben, wie links Potsdam ist. Und ich fühlte mich sicher. Ich habe von vielen Freundinnen, also schwarzen und BIPoc-Freundinnen und Freunden gehört – Sternchen – gehört, die trauen sich nicht hierher. Potsdam ist Brandenburg, das ist so unsicher – es gab eine Zeit, da wollten wir so ein Fest veranstalten und keiner kam, weil alle Sorge hatten vor Übergriffen. Aber nach all dem, Veranstaltungen, Demonstrationen in der ganzen Stadt, Festivitäten, fühle ich mich jetzt hier recht sicher. Und das beginnt erst jetzt wieder zu bröckeln. Also ich habe mich bis jetzt sicher gefühlt.

Moderation: Moderation: Jetzt gebe es wieder mehr rassistische Übergriffe in ihrem Umfeld, an den Rändern Potsdams. Ein Grund: Das Erstarken der AfD.

Patricia: Patricia: Genau. Also wir haben nicht aufgepasst. Ich glaube, wir haben zu wenig den Weg der AfD verfolgt. Also wir haben zu wenig hingeschaut, wie sich das entwickelt. Wir waren zu wenig achtsam, wo das hinführt und haben nicht genügend uns darum bemüht und damit auseinandergesetzt. Wir haben verpasst, Deutschland hat verpasst, sich um die Jugend zu kümmern, also die Jugendlichen in allen Städten. […] Und was bekannt ist, ist, dass die AfD bzw. die Rechte Deutschlands sich durch die Arbeit in den Kameradschaften und Jugendfeuerwehr noch mal anders bemüht hat um die Jugendlichen und die aufgefangen hat. Und wir haben das ein bisschen verpasst.

Moderation: Moderation: Deshalb ist es Patricia besonders wichtig, auch immer wieder mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Sie bietet regelmäßig Praktika an und gibt rassismuskritische Workshops. Ihre eigenen Erlebnisse haben ihr politisches Bewusstsein geprägt und geschärft. Heute unterstützt sie oft Schwarze Gemeinschaften und sozialpolitische Projekte mit ihrer Arbeit. Regelmäßig initiiert sie Aktionen für das Autonome Frauenzentrum in Potsdam und stellt Illustrationen – auch ohne Bezahlung – zur Verfügung. Zum 30. Geburtstag des Zentrums gestaltete sie mehrere zwei Meter hohe Banner. Sie zeigen die Illustrationen von sechs Frauen – die schwarzen Umrisse füllen rote Buchstaben, die Dankesbotschaften formulieren. Außerdem hat sie das „Komplizin–Netzwerk für feminine Energie“ mitinitiiert. Hier hat sie auch das Logo gestaltet. Auch dieses Projekt ist in Potsdam zuhause und hat inzwischen einen sehr aktiven Ableger in der Prignitz, in der sich Frauen im ländlichen Raum vernetzen. Patricia hat die Gruppe aufgebaut.

Patricia: Patricia: Ich glaube, dass ich darin ganz gut bin, Menschen kommunikativ miteinander zu verbinden, Themen zu erfassen. Ich bin diejenige, die den Wald trotz vieler Bäume sieht und auch von außen viel draufgucken kann. Aus meiner schwarzen, deutschen, mütterlichen, aktivistischen, achtsamen, traurigen, trauernden Perspektive sehen viele Dinge eben kompliziert bis „hier muss mal was passieren" aus. Und ich glaube, dass ich gut in der Lage bin, das auch noch zu kommunizieren, also zu teilen. Was braucht das denn? Ich bin so die Frau der Tat. Ich kann sagen, jetzt eigentlich muss hier mal das und das. Und dann sprudelt das aus meinem Kopf und ich habe viele Ideen. Ein paar davon produziere ich selber und ganz viele gebe ich weiter.

Moderation: Moderation: Seit einiger Zeit beschäftigt sich Patricia intensiv mit der Dekolonialisierung von Museen. Oft wird auch der englische Ausdruck Decolonize gebraucht.

Patricia: Patricia: Decolonize bedeutet für mich, dass die weiße Mehrheitsgesellschaft sich traut, das Thema anzufassen und es wagt, sich zu positionieren in allen Strukturen. Und dass wir es schaffen, das Thema in unseren Bildungssystemen und Bildungsinhalten aufzuarbeiten und zu integrieren. [...] Es ist wichtig, zu erkennen, dass diese Haltung des Prunks der Schlösser dem Machterhalt dient und dem Erhalt der postkolonialen Strukturen dient. Und das zu erkennen, muss Teil der Geschichtsvermittlung sein.

Musik: Musik: Yoffee „I know“

Moderation: Moderation: Für die Universität Thüringen hat Patricia das Projekt „Koloniales Erbe in Thüringen“ als Artist in Residence begleitet. Und für die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg hat sie eine Intervention für das Schloss Charlottenburg entworfen. Dazu gehört ein Film, der erklärt, was eine Intervention ist. Außerdem hat sie einen Raum der Sonderausstellung „Schlösser, Preußen, Kolonial“ gestaltet, dazu eine Graphic Novel gezeichnet, und sie hat für die Stiftung rassismuskritische Kulturvermittlung und -Führungen und rassismuskritische Workshops entwickelt und dafür weitere Personen ausgebildet. In dem Film „Was ist / das ist eine Intervention“ kann man übrigens ihren Sohn, den Musiker Moses Yoffee [Moses Joofii – langes „o“) mit seinem Track „I know“ hören.

Musik: Musik: Yoffee „I know“

Moderation: Moderation: In der Ausstellung kommen Schwarze und BIPoc-Menschen, die als Versklavte verschleppt worden und in Gemälden im Hintergrund zu sehen sind, zu Wort. Ihre Biografien sind erstmals zu sehen, und sie werden in einen neuen Kontext gestellt.

Patricia: Patricia: Und hier sind wir jetzt in dem Raum, in dem ich eine Wand gestalten durfte. Also eine Wand ist im Gedenken an Bilillee Ajamé Machbuba gestaltet, deren Geschichte ich versucht habe neu zu erzählen bzw. hinterfrage, ob die Geschichte nicht eine neue Aufmerksamkeit braucht, weil sie bisher nur im Kontext mit Fürst Pückler, ihrem Versklaver, gelesen wird. Und ich wollte das noch mal anders darstellen. […] Die Wand ist schwarz und ich habe einen Auszug aus der Graphic Novel, der sie darstellt mit Pückler. Sie ist immer in neuen Bildern hier mit Pückler zu sehen, wie er sie kauft, wie er sie mitnimmt, mit ihr reist und seine Pflanzenkunden betreibt und seine Forschung betreibt und sie dabei ist, er sie vorzeigt und er ihr nicht gestattet, die Damenkleider der Zeit anzuziehen, weil er immer wollte, dass sie sich als Junge ausgibt, um zu verhindern, dass man über sie spricht, obwohl ganz klar ist, dass er sie missbraucht und genommen hat. Das Mädchen war vielleicht 10, 11, 12 Jahre alt, das ist nicht klar. Dass er sie dann vorgezeigt hat. Er war mit ihr in Wien in der Oper, ist mit ihr drei Jahre durch Europa gereist und hat sie überall gezeigt und sich mit ihr geschmückt. Und das war nicht freiwillig. Und in der bisherigen Geschichte lesen wir sie eben nur als Mätresse, als ähnlich einem Hunde – schlimmste Worte. Und all das möchte ich ganz doll durchstreichen, all das möchte ich nicht mehr hören und lesen. Ich möchte, wie das Bild in der Mitte darstellt: Sie war Heilerin. Sie war eine sehr Kluge, ein sehr kluges Mädchen. Sie hat die Abrechnungen gemacht für Pückler und hat auch geschrieben. Und dann hat sie ihm das Leben gerettet mit ihrer Heilkunst, die sie vor dieser Zeit gelehrt hat, die sie aus Abessinien, heute Äthiopien, mitgebracht hat. Das, was sie gelehrt hat, hat sie an ihn weitergegeben. Und ich möchte sie einfach anders spiegeln, als Übermittlerin von Oromo-Kultur in ihren 120 Liedern, die sie hinterlassen hat, von denen keiner mehr weiß, wo sie geblieben sind, als diejenige, von der man nicht weiß, ob Pückler ihr am Ende des Lebens noch das Herz rausgerissen hat, rausschneiden lassen hat oder nicht. All diese Dinge werden in zwei anderen Schlössern nicht beschrieben, und das war mir wichtig.

Moderation: Moderation: Neben neun Bildern, die Bilillee Ajamé Machbubas Leben mit ihrem Versklaver zeigen, steht das Gedicht „gelebt“ vom Fußboden bis zur Decke in weißer Schreibschrift auf schwarzem Grund. Daneben: Schwarze Engelfiguren übereinander in einer Art Säule.

Patricia: Patricia: Bilillee Ajamé Machbuba habe ich ein Gedicht gewidmet, weil ich wollte, dass alle sich ein eigenes Bild machen können über die Dinge, die ihr widerfahren sind. Ich habe also sämtliche Bücher studiert aus weißen Kontexten und habe aus diesen Geschichten, aus diesem Ganzen, was vermittelt wurde, meine Bilder gemacht. Das bedeutet, wenn ich lese: gelaufen, gegangen, gefallen, gerannt, geschleppt, gequält, geschlafen, gewaschen, gestellt, gewartet, gewartet, gezählt. Dann ist das für mich der Moment, wo sie auf dem Versklavten-Markt steht in Ägypten, gewaschen wurde, betrachtet wurde und dann gekauft wurde. Sie wurden gezählt, was auch immer ihnen passiert ist dort, was auch immer ihr vorher passiert ist, all diese Vokabeln, die sich in diesem Gedicht befinden, in dem Gedicht "Gebeugte Form – ein Leben", da ist jedes Wort ein Bild für das, was ihr widerfahren ist. Und wir können aber dadurch, dass wir es einfach nur lesen, uns selbst ein Bild machen. Was verstehen wir unter geheilt, unter geschwiegen, unter gesprungen. Sie hat versucht, sich mal das Leben zu nehmen. Was verstehe ich darunter, unter geblieben, gebraucht, geschwiegen, geschämt. Was habe ich für Bilder im Kopf? Das war mein Ansinnen.

Musik: Musik: Kalimba

Moderation: Moderation: Wieder zurück im „Mini-Loft“, in Patricia Vesters Arbeitszimmer in Potsdam. Die Graphic Novel zu Bilillee Ajamé Machbubas Leben ist abgeschlossen, aber die Sonderausstellung im Schloss Charlottenburg läuft noch. Regelmäßig bietet Patricia Vester hier rassismuskritische Rundgänge und Workshops für Schulklassen, Studierende und Lehrer*innen an. Dass eine Dekolonialisierung auch in der Bildung stattfindet, in Schulbüchern und Lerninhalten, das ist ihr ein großes Anliegen.

Patricia: Patricia: Wir alle wissen viel aus der NS-Zeit und das war Teil der Schulbildung. Aber die kolonialen Geschichten wurden nicht aufgearbeitet oder nur ganz spärlich oder in Zeiten, wo keiner sich mehr dafür interessiert, nach dem Abitur, wenn das Abitur vergeben ist, auf den letzten Metern. Also wir brauchen das mehr im Schulunterricht, damit wir erkennen, was die Problematik ist, damit wir erkennen, wo unsere heutige Bildsprache herkommt. Unsere heutige Bildsprache, unser heutiges Sein, ist das Ergebnis dieser Geschichte und dieser Umstände.

Moderation: Moderation: Für die Schlösser und Ausstellungen wünscht sich Patricia Vester, dass ihre Arbeit nicht einmalig ist, sondern eine Verstetigung erfährt. Sie hat sich mit der Stiftung darauf verständigt, dass weiterhin rassismuskritische Kulturvermittlung angeboten wird.

Patricia: Patricia: Wenn wir die Arbeit nicht weiterführen, ist das Tokenism. Das heißt, wieder einmal hat eine Art Greenwashing stattgefunden und Schwarze Menschen werden benutzt, um zu sagen, ja, wir haben das mal angefasst, das Thema. Aber wir müssen, es muss darüber hinausgehen. Und ich versuche gerade, die Stiftung zu empowern. Und ich sage immer, ihr macht hier Pionierarbeit. Ich sage das allen, die das machen. Ich sage allen, ihr hier macht Pionierarbeit. Es gibt ganz viele Museen, die sich dem nicht stellen, die sich nicht positionieren. Die Stiftungen, gerade die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, hatte einen ganz schlechten Ruf. Also Preußen und die Preußische Stiftung muss eben ganz viel aufarbeiten, und da kann das guttun und ein Zeichen sein. Ein sehr wichtiges Zeichen, sich öffentlich zu positionieren und zu sagen, wir stellen uns jetzt den Dingen, wir gehen damit um. Wie kann das weitergehen, was braucht es? Können wir die Bilder jetzt einfach wieder aus der Ausstellung nehmen und wieder dahin hängen, wo sie vorher gehangen haben? Auf gar keinen Fall. Das muss so bleiben, wie es jetzt ist mit der Intervention, damit klar wird, das wurde angefasst, das Thema, und das kommt für kommende Generationen, das bleibt hier für immer so, das wünsche ich mir. Dass da Zeichen gesetzt werden und dass ein Stück weit Wiedergutmachung passiert. Ja, tatsächlich. Weil meine ganze Arbeit besteht eben zum Teil auch aus Trauerarbeit, da hängt ganz viel Schmerz auch drin, weil da Geschichten eben so gewaltvoll waren. Und ja, da ist auch Wiedergutmachung drin.

Musik: Musik

Moderation: Moderation: Das war der achte Teil unserer Podcast-Serie „Vielfalt in Brandenburg“ über die Illustratorin, Künstlerin und Aktivistin Patricia Vester. Im nächsten Teil dieser Reihe besuchen wir die „Controllettis“, das ist ein Prüfbüro für leichte Sprache in Teltow-Fläming. Die Controllettis prüfen, ob Texte so geschrieben sind, dass auch Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen, Lernschwierigkeiten oder Demenz sie verstehen können. Alle Folgen und Hintergrundinformation findet ihr auf der Website www.boell-brandenburg.de. Diese Reihe und alle weiteren Podcasts der Heinrich-Böll-Stiftung könnt ihr auf der Podcast-App Eurer Wahl abonnieren. Für Feedback und Anregungen schreibt uns eine Mail an: info@boell-brandenburg.de und empfehlt uns gerne weiter. Ich bin Bettina Ritter. Tschüss und bis zum nächsten Mal.

Jingle: Jingle: Vielfalt in Brandenburg. Ein Podcast der Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg.

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