“Shalom zusammen!” Die jüdische queer-feministische Aktivistin Tanya Raab
Shownotes
Es kann anstrengend werden, wenn man in keine Schublade passt: Tanya Raab muss ihren Weg gegen viele Widerstände gehen. Das macht sie mit einer Energie, die ansteckend ist: Die queer-feministische Jüdin lebt in Brandenburg an der Havel. Sie studiert Lehramt und ist mit 25 Jahren Mutter einer 4-jährigen Tochter. Auf Instagram erzählt sie aus ihrem Alltag. Ihr Account „OyJewishMama“ hat mittlerweile fast 20 000 Follower:innen. Am Anfang wollte Tanya Raab eigentlich nur über ihr Familienleben als liberale jüdische Mutter erzählen. Doch mittlerweile geht es auf ihrem Account auch viel um jüdische Geschichte, um Antisemitismus, um den Holocaust und die Erinnerung daran. Je bekannter die jüdische Aktivistin wird, desto mehr Hass bekommt sie spüren. Aber sie postet weiter dagegen an. In diesem Podcast der Heinrich Böll-Stiftung Brandenburg erzählt Tanya Raab von ihrem Weg und was sie zur Aktivistin gemacht hat.
Instagram: https://www.instagram.com/oy_jewish_mamma/
Buch "Shalom zusammen!": https://www.droemer-knaur.de/buch/tanya-raab-shalom-zusammen-9783426284643
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Musik aus Artlist: Musik
Moderation: Moderation: Tanya Raab trägt gerne Knallfarben, auch ihre Wohnung ist fröhlich bunt eingerichtet, genauso wie ihre digitales Wohnzimmer: Der Instagram Account der jüdischen queer-feministischen Influencerin leuchtet in türkis, orange, pink, knallblau, gelb, quietschgrün. Pastell ist nicht ihrs. Regenbogen passt super zu Tanya Raabs Persönlichkeit, ihrer Energie, aber natürlich ist er auch ein politisches Statement. Ihr hört den Podcast “Vielfalt in Brandenburg”.
Jingle: Jingle: Vielfalt in Brandenburg. Ein Podcast der Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg.
Moderation: Moderation: Mein Name ist Vanessa Loewel. Ich bin Journalistin und mit meinen Kolleginnen Bettina Ritter und Franziska Walser war ich in Brandenburg unterwegs, um Menschen zu treffen, die etwas bewegen für und in Brandenburg. Für diese Folge habe ich Tanya Raab besucht, in Brandenburg an der Havel.
Tanya: Tanya: Ich bin Tanya Yael-Raab, ich bin 25 Jahre alt und mittlerweile seit ungefähr drei Jahren als jüdische Aktivistin und Influencerin in den sozialen Netzwerken, vor allem auf Instagram, tätig. (…) Ich studiere seit 2019 Lehramt an der Uni Potsdam und habe eine kleine Tochter, die jetzt vier Jahre alt ist.
Moderation: Moderation: Ihr Account auf Instagram heißt “Oy Jewish Mama” und hat fast 20 000 Follower*innen. Gerade hat sie auch ein Buch geschrieben: “Shalom zusammen. Warum wir falsche Vorstellungen von jüdischem Leben haben und das gemeinsam ändern sollten”. Zurzeit ist Tanya Raab viel unterwegs, um aus ihrem Buch zu lesen, außerdem gibt sie Workshops und viele Interviews, so wie dieses hier.
Tanya: Tanya: Vor allem ist mein Ziel Sichtbarkeit für jüdisches Leben, dass Menschen verstehen, dass jüdisches Leben einfach auch in der Mitte unserer Gesellschaft ankommen muss, normalisiert werden sollte, aber auch gegen Antisemitismus, gegen Ablehnung jüdischer Menschen und vor allem auch gegen Rechtsextremismus, das ist ein Thema, was mir persönlich auch einfach sehr am Herzen liegt.
Moderation: Moderation: Als sie vor drei Jahren begonnen hat auf Instagram zu posten, war gerade Corona, sie war in Elternzeit, hatte ein wenig Langeweile – und wollte aus ihrem Alltag erzählen, als junge queer-feministische jüdische Mutter in Brandenburg an der Havel.
Tanya: Tanya: „Das ist jetzt das vierte Pessah meiner Tochter und wer mir schon eine Weile folgt, weiß, dass ich meine Deko an Pessah benutze um die Pessah-Geschichte zu erzählen. Zum Beispiel den Nil, dargestellt durch das Tischtuch und auch den kleinen schwarzen Babymoses.” (Atmo aus Instagram-Videos bleibt drunter)
Moderation: Moderation: Wir sehen Tanya Raab über die Schulter, wie sie ihre Deko für Pessah aufbaut. In anderen Posts backt sie Hamantaschen, die zum jüdischen Purimfest gegessen werden. Oder sie präsentiert ihre Kippah-Sammlung: Tanya Raab hat für fast jedes Outfit eine passende Kippah: in pink, orange, grün, türkis, gelb, blau. Die Kippah, die traditionelle runde Kopfbedeckung, tragen im orthodoxen Judentum nur Männer: Aber Tanya Raab steht für ein liberales Judentum. Auch das ist immer wieder Thema in ihrem Instagram-Account: wie vielfältig jüdisches Leben ist und wie sie ihr Judentum lebt, als queer-feministische junge Mutter, die mit einem nicht-jüdischen Partner zusammen lebt. Die Kippah in Regenbogenfarben ist zu ihrem Markenzeichen geworden.
Tanya: Tanya: Ich habe zuerst eigentlich nur über mein jüdisches Familienleben gepostet, deswegen auch der Name „Oy Jewish_Mama”. Es ging vor allem um meine Elternzeit, darüber, wie ich meinem jüdischen Kind jüdische Traditionen näher bringen möchte. Aber dann habe ich ganz schnell mitbekommen, dass jüdisches Leben immer politisch ist, dass jüdisches Leben auch immer auf Ablehnung stößt, immer auch auf Antisemitismus stößt und dann habe ich angefangen auch Bildungsarbeit zu leisten, auch Aufklärungsarbeit zu leisten. Mittlerweile besteht mein Content auf Social Media wirklich auch vor allem aus aufklärerischen Inhalten zum Thema jüdisches Leben, jüdische Geschichte (…) und dann habe ich mich wirklich angefangen damit aktiv auseinanderzusetzen und mich dafür stark zu machen auch jüdischen Leben sichtbarer zu machen. Das habe ich eigentlich von Anfang an gemacht, aber diese politische Dimension kam erst mit der Zeit. Und mittlerweile würde ich mich schon auf jeden Fall auch selbst als Aktivistin bezeichnen, aber die Gesellschaft hat mich irgendwie zu einer gemacht. „Hey Leute, ich bin gerade in Weimar, dem Herzen der Deutschen Klassik, und hier denke ich über die düstere Seite der Klassik nach. Spiegelberg ist eine Figur aus Schillers ,Die Räuber‘ und eine Figur, die vollgepackt ist mit antisemitischen Stereotypen”.
Moderation: Moderation: Sie gibt Buch, Film und Serientipps. Sie schreibt über: „Drei jüdische Künstler*innen, die die Kunstwelt revolutionieren”, oder „Wie kam es eigentlich zur Entstehung des ersten jüdischen Ghettos?”, oder „Antisemitismusvorwürfe beim Harry-Potter-Videospiel“. Es gibt „Speed Dating mit Büchern, die im NS-Regime verboten waren“ oder ein Quizz: „Wer hat’s gesagt: Höcke, Weidel oder doch Merz?” Tanya Raab scheut keine Ironie, keinen Sarkasmus, keine Provokation. Sie macht Antisemitismus sichtbar – der absurde Formen annehmen kann:
Tanya: Tanya: Hi, wir sind immer noch in Deutschland, dem Land der Bratwurst und des Holocaust und der…wie war das noch mal…Wehrmachtsosterhasen? In Tübingen werden jetzt Osterhasen in Panzern verkauft und das ist deutsches Traditionsgut, so wird das auch verkauft, so wird das geframet. Die älteren Kundinnen und Kunden freuen sich total über diese Osterhasen, denn die kennen sie schon aus ihrer Kindheit. Welche Kindheit? Die NS-Zeit Kindheit! Und tut mir leid, das zu sagen, aber wenn Eure Großeltern solche Wehrmachtsosterhasen als schöne Kindheitserinnerung behalten haben, dann waren sie nicht jüdisch, nicht vom NS-Regime verfolgt und sie waren definitiv auch keine Widerstandskämpfer, sondern wurden mit solchen Osterhäschen kriegstüchtig gemacht. Ich finde, es gibt in Deutschland Traditionen, die man lieber für sich behalten sollte, ganz tief in seiner Konditoreischublade verschanzen sollte. Oder um Aufklärungsarbeit zu machen, aber nicht um damit Gewinn zu machen.
Musik: Musik
Tanya: Tanya: Meine Eltern und auch meine Großeltern haben sich nie als religiös verstanden selber. Aber durch dieses intergenerationale Trauma haben sie auch das jüdisch-Sein immer auch mit Antisemitismus in Verbindung gebracht, mit dem Holocaust. Und sie haben schon sehr früh mit mir über den Holocaust gesprochen. Das war immer so ein essenzieller Teil meiner Familiengeschichte. Das war auch irgendwie gefühlt der einzige Teil unserer Familiengeschichte, über den viel gesprochen wurde. Ich weiß eigentlich kaum etwas anderes über meine Familie, als eben diesen sehr expliziten Teil des Holocausts. „Ich hatte einen Drehtag zum Thema 80 Jahre KZ-Befreiung von Sachsenhausen und Ravensbrück und habe als Drehort ein israelischen Restaurant ausgesucht. Aber warum eigentlich? Gedenkstätten sind wichtige Orte der Erinnerung, aber ein Restaurant ist ein Ort des Lebens. Es zeigt, dass wir nicht nur Opfer sind, sondern auch Überlebende einer lebendigen Kultur.”
Moderation: Moderation: Wie in Deutschland an den Holocaust erinnert wird, sieht sie kritisch: „Was Du am Holocaust Gedenktag machen kannst, um kein*e Heuchler*in zu sein“ ist einer ihrer Posts überschrieben, oder „Warum ich als jüdische Aktivistin dieses Jahr auf keiner Holocaustgedenkveranstaltung war.“ Sie schreibt auf Instagram:
Tanya: Tanya: „Weil ich es nicht mehr ertragen kann, wie dieser Tag immer mehr zu einer Bühne für performatives Gedenken und politische Heuchelei verkommt. Politiker*innen halten wohlformulierte Reden, zeigen sich betroffen und lassen sich für die Kameras ablichten – doch was passiert danach? Nichts.“ Man muss auch immer sagen, Gedenktage, wie zum Beispiel der Holocaust-Gedenktag, der ist nicht für Juden. Denn Juden oder generell Menschen, die vom NS-Regime verfolgt wurden, für die ist eigentlich jeden Tag Holocaust-Gedenktag. Die begleitet dieses Thema nicht nur einmal im Jahr. Und dieser Tag ist eigentlich für die Nachfahren der Täter*innen, um sich eben daran zu erinnern, um zu gedenken und dafür zu sorgen, dass so etwas eben nicht noch mal passiert. Das ist eben nicht meine Aufgabe, dafür zu sorgen dass so etwas nicht noch mal passiert. Und ich finde, da werden ganz schnell die Verantwortlichkeiten so ein bisschen hin- und hergeschoben und gesagt: Ja, klär auf! Tu was dagegen! Aber ich glaube, wir müssen uns von dieser Vorstellung trennen, dass zum Beispiel der Besuch einer Gedenkstätte Menschen automatisch läutert. Und da haben wir wieder denselben Punkt, dass ich zum Beispiel auch in eine Schulklasse eingeladen werde und dann gesagt wird so, ja, mach mal, läuter sie. Erzähle ihnen deine Familiengeschichte und lass dich von denen bemitleiden und dann sind sie alle keine Antisemiten und Rassisten mehr. Und das ist eine total bescheuerte Haltung, das muss man auch klar so sagen. Denn dieses Abschieben von Verantwortlichkeiten an Gedenkstätten, an Gedenkstättenpädagogen, an jüdische Menschen, die eben aufkehren, an Holocaust-Überlebende, ist einfach falsch.
Moderation: Moderation: Tanya Raab hat eine klare Haltung – und den Mut diese genauso klar zu formulieren. Ihre Community wächst: Mit ihrer Bekanntheit wächst allerdings auch der Hass.
Tanya: Tanya: Am Anfang haben mich Hassnachrichten wirklich immer sehr getroffen und auch auf einer sehr persönlichen Ebene und ich hab mir das dann auch persönlich sehr zu Herzen genommen. Mittlerweile, denke ich mir oft, es kann gar nicht viel schlimmer sein (...) ich habe so viel erlebt, Leute, ich wurde auf der Straße angegriffen. Es gab Boykottaufrufe gegen Orte, an denen ich aufgetreten bin, weil dort ja eine Zionistin und Jüdin und was auch immer (…) dass man dieser Person dann eine Bühne bietet. In diesen Gruppen wurden meine Daten hin- und hergeschickt und es gibt wirklich Leute im Internet, die denken, wenn sie mir schreiben, dass sie mich hässlich finden, dass mich das irgendwie mitnehmen könnte. Aber das interessiert mich einfach überhaupt nicht. Und ich nehme auch Antisemitismus mittlerweile überhaupt nicht mehr persönlich, es ist total langweilig, es sind dieselben Klischees, die seit Jahrtausenden existieren.
Moderation: Moderation: Als Aktivistin lässt sich nicht einschüchtern, sie schreibt weiter und noch intensiver gegen Antisemitismus an und macht ihr diverses buntes jüdisches Familienleben auf Instagram sichtbar. Außerhalb der digitalen Welt ist sie allerdings vorsichtiger geworden:
Tanya: Tanya: Ich habe anfangs wirklich auch anfangs auf der Straße Kippah getragen. Das war für mich alles absolut normal und ich möchte sichtbar sein und ich möchte jüdisches Leben auch, dass es in der Mitte der Gesellschaft ankommt, mit Sehgewohnheiten brechen, aber doch nicht zum Preis meines Wohlergehens im Zweifelsfall. Denn das Problem an Antisemitismus ist halt auch einfach, dass Antisemitismus in allen Bevölkerungsgruppen vorhanden ist und (…) ich finde, das ist die absolut große Gefahr, dass ich mich einfach an vielen Orten nicht sicher fühlen kann, außer an Orten, die wirklich explizit jüdisch sind oder an Orten wie zum Beispiel im Rahmen meiner Lesung, meine Lesungen finden mittlerweile immer unter Polizeischutz statt. Das ist eigentlich eine sehr, sehr traurige Entwicklung und auch etwas, dass ich mir nicht wünschen würde, aber es ist notwendig.
Moderation: Moderation: Tanya Raab ist damit aufgewachsen – die eigene Identität verbergen zu müssen:
Tanya: Tanya: „Es war für mich immer ein bisschen merkwürdig, weil meine Eltern mir einerseits immer vermittelt haben, du kannst stolz darauf sein, jüdisch zu sein, denn (...) das Wesen des jüdisch-Seins ist es, trotz aller Widrigkeiten zu überleben und alle Pogrome, den Holocaust zu überleben, gleichzeitig aber haben sie mir immer gesagt, erzähl es niemandem und das habe ich als Kind nicht verstanden. Diesen Punkt, ich soll auf etwas stolz sein, aber dann soll ich es verstecken. Als Jugendliche hab ich mich sehr stark dagegen aufgelehnt. Ich hab meine Eltern auch als junge Erwachsene sehr dafür verurteilt, dass sie das eben so krass unsichtbar gehalten haben. Irgendwann bin ich selbst Mutter geworden und dann habe ich sie auf einmal richtig gut verstanden. Ich habe plötzlich verstanden, wie es ist, sein Kind vor Antisemitismus beschützen zu wollen und wie es ist, ein Kind zu haben, was plötzlich zu Leuten auf der Straße Schalom sagt oder ihnen erzählt, dass man Hanukkah feiert und ich hab mir auf einmal Sorgen gemacht.
Moderation: Moderation: Tanya Raab ist in Frankfurt (Oder) aufgewachsen, geboren wurde sie 2000 in der Ukraine. Als sie drei Jahre alt war, kamen ihre Eltern als Kontingentflüchtlinge nach Deutschland.
Tanya: Tanya: „Meine Eltern sind ja beide nicht religiös, mein Vater ist auch nicht jüdisch (...) Trotzdem waren wir Mitglieder einer jüdischen Gemeinde, aber da ging es vor allem um die Gemeinschaft, um die Community, weil damals sehr viele jüdische Menschen aus der Sowjetunion kamen als Kontingentflüchtlinge nach Deutschland. Dementsprechend war die jüdische Community hier schon sehr russisch-sprachig und sehr groß. Und wir wurden total dankbar aufgenommen in dieser Community und ich bin dann in dieser Gemeinde auch groß geworden. Gleichzeitig haben wir religiöse Feste, zum Beispiel zu Hause, gar nicht gefeiert. Und das hat mir persönlich sehr gefehlt, weil ich schon sehr früh so eine gewisse Spiritualität in mir gespürt habe, aber das zu Hause irgendwie nicht hatte.
Moderation: Moderation: Ein wichtiges spirituelles Ereignis war für sie, als ihr Großvater sie mit 16 Jahren mit nach Israel nimmt, um die Familie zu besuchen:
Tanya: Tanya: Und dort habe ich mich sehr, sehr zugehörig gefühlt. Und das war so ein Gefühl, das ich hier in Deutschland nie hatte. In Deutschland hatte ich immer das Gefühl, ich bin dieses komische jüdische Kind und so ein Zuwenden zur jüdischen Entität kam dann wirklich erst mit dieser Reise nach Israel, weil ich dort gesehen habe, jüdisches Leben kann so anders gelebt werden. Es muss eben nicht so hinter verschlossenen Türen mit Polizeischutz stattfinden.
Musikalisches Pause: Musik
Tanya: Tanya: Ich bin dann mit so einer absoluten Wut zurückgekommen. Mit so einer Wut, dass Deutschland und auch meine Eltern in gewisser Weise mir meine jüdische Identität irgendwie geraubt haben. Aus dieser Wut hat sich dann auch so eine krasse Motivation entwickelt, das eben anders zu machen. Und die spiegelt sich jetzt auch in meinem Aktivismus wider.
Moderation: Moderation: Tanya Raab lebt in Brandenburg an der Havel, sie liebt die Stadt und ist hier verwurzelt. Aber es macht ihr Sorgen, dass die meisten ihrer Nachbar*innen bei der letzten Bundestagswahl AfD gewählt haben:
Tanya: Tanya: Das löst auch so ein gewisses Unbehagen, weil ich mir denke, wie viele Menschen aus meinem Umfeld, Nachbarn. Eltern in der Kita, Erzieher in der Kita wählen eventuell die AfD? (..) Und wir haben uns natürlich auch gesagt, wenn die Situation sich verschlechtern sollte, müssen wir vielleicht doch überlegen, ob wir auf Dauer hier bleiben wollen. Ich glaube, gerade auch hier im Osten haben wir auch eine starke Verbindung zu den Baseball-Schlägerjahren. Das ist auch etwas, was mein Aufwachsen in Frankfurt (Oder) begleitet und geprägt hat. Ich erinnere mich an Nazi-Aufmärsche in Frankfurt (Oder), die ich auch als kleines Kind erlebt habe. Und die mich persönlich sehr schockiert haben, weil meine Eltern mit mir sehr früh über den Holocaust gesprochen haben und dann gleichzeitig immer betont haben, es gibt hier keine Nazis mehr. (…) Und dann habe ich irgendwann diese Nazi-Aufmärsche gesehen und habe festgestellt, na irgendwie schon. Irgendwie gibt es die ja durchaus.
Moderation: Moderation: Tanya Raab hat mehrere Wellen des Antisemitismus erlebt. Als sie Schülerin ist, 2014, wird Pegida groß. Pegida, was für „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ steht, demonstrierte mit rassistischen und rechtsextremen Parolen gegen die Asylpolitik und in Tanyas Klasse gaben Mitschüler damit an mit zu demonstrieren. Dann die Corona-Zeit, als Querdenker Hass schüren und der Verschwörungstheoretiker Attila Hildmann ihre Privatadresse in einem einschlägigen Telegram-Kanal veröffentlicht. Und jetzt der Antisemitismus nach dem 7. Oktober:
Tanya: Tanya: Natürlich hat der 7. Oktober viel verändert und hat, glaube ich, gerade für mich als linke, als queer-feministische Jüdin sehr viel kaputt gemacht. Ich habe mich dann plötzlich auf CSDs nicht mehr wohl gefühlt, weil ich mich dann plötzlich in meiner Uni nicht mehr wohlgefühlt habe, einem Ort, wo ich zum Beispiel sehr lange noch offen jüdisch war, weil ich dort nie Antisemitismus erlebt habe, aber plötzlich gab es antisemitische Schmierereien, plötzlich hatten Studierende Buttons mit durchgestrichenen David-Stern. Das hat bei mir ganz viel ausgelöst. Und es hat bei mir wirklich etwas kaputt gemacht. Und es hat mir sehr weh getan. Es gibt, glaube ich, nichts, was einen mehr trifft als dieser Hass aus der eigenen Community. Auch Hass von anderen jüdischen Menschen ist auch etwas, was ich auch immer wieder in meiner Arbeit erlebe, von sehr konservativen Juden oder sehr rechten Juden, die meine liberalen Positionen einfach nicht gut finden. Die zum Beispiel es nicht gut finden, dass ich einen nicht-jüdischen Partner habe. Weil ich damit jüdischen Männern die Chance auf eine jüdische Frau wegnehme. Also dieser Hass aus der eigenen Community, aber auch aus dieser linken queerfeministischen Bubble, der ich mich wirklich sehr, sehr zugehörig gefühlt habe und ich muss wirklich mittlerweile sagen habe, weil ich mich an dieser Bubble einfach nicht mehr wohlfühle und mich dem auch sehr entziehen musste, auch aus Selbstschutz.
Moderation: Moderation: Es gibt wenige Safe Spaces für Tanya Raab. Sie kämpft dafür, dass sich das ändert. Tanya Raab ist gerade 25 – sie postet weiter, möchte weiter Bücher schreiben und Lehrerin werden. Der Bachelor ist schonmal geschafft. Sie hat etwas zu sagen und Spaß daran, ihr Wissen weiterzugeben. Von ihrem Instagram-Account möchte sie nicht leben müssen:
Tanya: Tanya: Als Influencer bist du halt extrem davon abhängig, ob Leute dich gut finden und du machst eigentlich dann irgendwann nur noch Content, den Leute gut finden. Und davon würde ich mich persönlich sehr ungern abhängig machen und lieber ein bisschen unbequemer bleiben.
Musikbett: Musik
Moderation: Moderation: Das war die 15-te Folge unserer Podcastreihe „Vielfalt in Brandenburg“ über die jüdische quere-feministische Influencerin Tanya Raab: In den Shownotes findet ihr den Link zu ihrem Instagram-Account und alle Infos zu ihrem Buch. Hört Euch auch die weiteren Folgen von meinen Kolleginnen Franziska Walser und Bettina Ritter an. Findet ihr auf der Webseite www.boell-brandenburg.de und überall dort, wo es Podcasts gibt. Ihr könnt uns schreiben: info@boell-brandenburg.de und natürlich freuen wir uns über Sterne in der Podcast-App! Vielen Dank fürs Zuhören sagt Vanessa Loewel.
Jingle: Jingle: Vielfalt in Brandenburg. Ein Podcast der Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg.
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