Kasper und Krustenbrot – ein Lebensmittelpunkt für Oderberg
Shownotes
Kiosk, Bäckerei und Puppentheater – der Kiosk OderBerg ist ein multifunktioneller Raum in der Stadtmitte von Oderberg. Den Machern Kai Kreutzmann und Artur Albrecht geht es nicht nur um leckeres Brot, sondern um echte Begegnungen und ein neues Heimatgefühl. Ihr Unternehmergeist findet vor Ort aber nicht nur Unterstützung.
Links: Fernsehbeitrag über den Kiosk OderBerg: https://www.rbb-online.de/der-tag/videos/-video-beitraege/Holzofenbrot-und-Puppenspiel-Ein-kreatives-Duo-belebt-Oderberg.html
Kai Kreutzmann / Bäckerei Rauchzeichen auf Instagram: https://www.instagram.com/rauchzeichen.kk/
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JINGLE: Jingle: Vielfalt in Brandenburg. Ein Podcast der Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg.
Moderation: Moderation: Willkommen bei unserer Reihe „Vielfalt in Brandenburg“. Mein Name ist Franziska Walser und zusammen mit meinen Kolleginnen nehme ich euch in diesem Podcast mit zu Menschen aus Brandenburg, die ganz unterschiedliche Herkünfte, Lebensentwürfe und Projekte haben. Wir wollen damit sichtbar machen, wie vielfältig Brandenburg ist. Heute bin ich zu Besuch in Oderberg. An einem Ort der Menschen zusammenbringt. Und der Welten vereint: Der Kiosk OderBerg ist ein Kiosk und zugleich Bäckerei und Puppentheater.
Kinderschrei: Kinderschrei: Kasper!
Kai: Kai: Als wir hier im Oktober unterschrieben hatten und hier dann wirklich unseren ersten Tag hatten. Da kamen die ersten Leute. Und dann liefen die so vorbei und wir putzen die Fenster Und jeder so: „Dat wird doch nüscht!“
Artur: Artur: Und dann dieser Moment, als dann so zwei, drei Monate später jemand reinkommt, der quasi den Laden von leer kannte und der dann hier reinkommt, sagt Boa was ist denn hier draus geworden? Und dann merkt man erst: Mit wenigen Mitteln hat man dann doch letztendlich etwas erschaffen auf 160, 170 Quadratmeter.
Artur: Artur: Wisst ihr, wer da ist in der Oder? Das große alte Oderkrokodil. (andere Stimme) Ich wohne nicht am Nil. Ich wohne in der alten Oder.
Moderation: Moderation: Oderberg liegt – seinem Namen entsprechend – auf einem Berg. 2000 Einwohner*innen. Die Oder und damit die Grenze zu Polen ist fünf Kilometer Luftlinie entfernt. Unterhalb von Oderberg fließt ein Seitenarm der Oder, der lange ein wichtiger Wasserweg nach Berlin war. Diese strategische Lage machte die Stadt im 19. Jahrhundert zu einem florierenden Wirtschaftszentrum – mit 15 Schiffswerften, mehreren Sägewerken, einer imposanten neugotischen Kirche, einer eigenen Zeitung und drei Bahnhöfen. Aber man muss gar nicht so weit zurückgehen, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie quirlig es hier einmal zugegangen ist.
Kai: Kai: Ich kenne ja Oderberg jetzt seit 25 Jahren und bin hier aufgewachsen mit den Sachen, die es halt in der Zeit so gab. Aber ich fand es immer viel interessanter, wenn meine Eltern erzählt haben, was damals alles los war. Wir hatten hier die Eisenbahnbrücke. Wir hatten einen Bahnhof gehabt. Hier war ein Kino gewesen – da, wo jetzt die Eisdiele ist. Oder der schwarze Adler, was jetzt der Oderberger ist: Da sind die Kellner mit den Tablets hoch auf den Albrechtsberg gegangen. Wenn man das so hört, das muss verdammt geil gewesen sein! Wo die Sparkasse damals noch nicht war, da war so ein Brunnen, da war ein Park, da haben sich meine Eltern immer vor der Disco getroffen. Zu der Zeit hätte ich echt gerne gelebt. Weil das muss spannend und aufregend gewesen sein. Also das war irgendwie anders. Und jetzt ist die Frage: Warum ist das so? Warum entwickelt sich das in so eine Richtung? Und ich habe auch schon oft gehört, dass in vielen so kleinen Ortschaften, dass das mit so einem Kommunikationsproblem einhergeht. Also denke ich mal, ist es nicht nur Oderberg, das ist generell ein strukturelles Problem in so Ortschaften.
Moderation: Moderation: Diese Zeit, von der der 25 Jahre alte Bäcker Kai Kreutzmann erzählt – die Zeit als seine Eltern jung waren – das waren die 1970er Jahre. Damals hatte die Stadt nicht nur Freizeitmöglichkeiten, sondern auch eine funktionierende Nahversorgung. Unter anderem mit – so erinnern sich die Einheimischen – sieben Bäckern. Heute gibt es im Ort eine Apotheke, einen Blumenladen und einen Discounter mit Backshop am Ortsausgang. Weil es dahin – zu dem einzigen Lebensmittelladen im Dorf – steil bergauf geht haben sich die Kioskbetreiber bei der Benennung ein kleines Wortspiel erlaubt: Kiosk OderBerg kann man auch aussprechen als Kiosk oder Berg.
Artur: Artur: 14 Uhr offiziell, aber schon Kaffee haben kein Problem. Die Backwaren kommen jetzt gleich. Ab 14 Uhr geht es dann richtig los.
Moderation: Moderation: Ich bin mit dem Puppenspieler Artur Albrecht dort verabredet, wo über Jahrhunderte das Herz von Oderberg geschlagen hat: Auf dem Platz vor dem alten Rathaus. Wir warten auf Kai, der unten an der Alten Oder noch die letzten Brote aus dem mobilen Holzbackofen holt. Währenddessen zeigt mir Arthur das Rathausgebäude: Dreistöckig, aus Feldstein gemauerte Bogeneingänge, auf dem Dach ein kleiner Uhrenturm mit Glocke.
Artur: Artur: Dieses prächtige Gebäude, nach der Wende saniert, war der Mittelpunkt von Oderberg. Zu der Zeit als das Rathaus in Betrieb war: drei Bäcker, Gemüseladen Geschenkeladen, Klamotten, alle Läden voll in Betrieb.
Moderation: Moderation: Damit war es vorbei, als 2008 die Ortschaften Britz, Chorin und Oderberg zu einem Verwaltungsverbund zusammengefasst wurden. Mit einem gemeinsamen Rathaus in Britz. Das bedeutete: Weniger Arbeitsplätze vor Ort, weniger Laufkundschaft.
Artur: Artur: Und dann begann eigentlich peu à peu - wie soll ich sagen ja, das Sterben der Stadtmitte die ganzen Läden gingen leer. Und somit war das Schicksal besiegelt.
Moderation: Moderation: Das Haus mit seinen Amtstuben und Ratssälen wechselt mehrfach den Besitzer, Nutzungspläne platzen, die Immobilie und steht lange leer. Bis zum Sommer 2023. Da fanden für drei Wochen die „Rathausspiele“ statt. Künstler und Theatermacher – einer von ihnen Artur Albrecht – kamen nach Oderberg und erweckten das Rathaus aus seinem Dornröschenschlaf. Ohne dieses Kunstprojekt würde es heute wahrscheinlich keinen Kiosk OderBerg geben.
Kai: Kai: Als ich da drüben im Rathaus mit meinem Verkauf angefangen habe, da kam er auf mich zu und meinte so: „Coole Sache, was du machst!“. Und hat sich ein bisschen vorgestellt und meinte hier, diesen Laden würde er sich gerne mieten. Und dann haben wir uns zusammengetan und haben wirklich auf Anhieb schon so eine Mission gehabt.
Artur: Artur: Also es hat etwas zu tun, mit diesem Unterschied von: Wer was macht oder nicht macht, und wer meckert. Und ich glaube, das ist so der Punkt, wo wir uns von Anfang an gesehen hatten oder auch erkannt hatten. Also würde uns schon eindeutig als Macher einstufen.
Kai: Kai: Dieses bereit für etwas Neues zu sein. Und klar wird es nicht so wie früher, das ist doch logisch, das wird nie so wie früher sein. Aber man kann dem Ganzen eine Chance geben und kann das Beste draus machen.
Moderation: Moderation: Die Ladenräume liegen am Anfang der ehemaligen Flaniermeile von Oderberg: Angermünder Straße 65, mit Blick auf den Rathausplatz. Das, was Immobilienmakler gerne „Beste Lage“ nennen. Nur dass sich lange niemand für die rund 160 Quadratmeter großen Ladenräume mit den zwei großen Schaufenstern begeistern konnte. Es ist Karfreitag. An der Kiosktür wirbt ein kleines Plakat für das „Oster-Spezial“ das heute hier stattfindet. Aber 14 Uhr Backwarenverkauf. Ab 15 Uhr Theater im Hinterzimmer. Kurz nach Eins parkt Kai Kreutzmann seinen Wagen vor der Tür und lädt Kisten voller Backwaren aus.
Kai: Kai: Oh die sind ja toll .. ich hab die auch ein bisschen größer gemacht … die Osterzöpfe kosten sechs .. hast du das schon ins Kassensystem eingegeben .. (Autoklappe schließt sich)
Moderation: Moderation: Routiniert packen alle mit an: Die Vorbestellung zur Seite, die Landkrusten-Laibe und Kastenbrote nach hinten ins Regal. Die Blechkuchen und Zimtschnecken vorne in die Auslage. Das Sortiment ist klein, aber fein. Alles nach eigener Rezeptur, erklärt der Bäckermeister.
Kai: Kai: Hab‘ ewig an meinen Zwirbelbroten zum Beispiel rumgetüftelt – bestimmt ein halbes Jahr, bis die Rezepturen so war, wie ich sie wollte. Also meine Liste ist lang. Eigentlich könnte ich vieles machen, aber... ich mache es halt alles alleine und muss halt schauen, dass die Qualität immer passt. Und deswegen lieber ein kleines Sortiment, aber dafür immer mal ein bisschen Wechsel.
Moderation: Moderation: Die Weizenschrippe kostet einen Euro. Ein Zwirbelbrot vier Euro. Das sind Preise, die deutlich über dem liegen, was man beim Discounter oben am Berg für Backwaren zahlt. Dafür stimmt die handwerkliche Qualität: Der Sauerteig, die lange Gehzeit und das Backen im mobilen Ofen, der mit Holz befeuert wird.
Kai: Kai: Zum Beispiel so eine Landkruste, so ein Roggenmischbrot: Das ist so ein Brot, das kannst du vom Montag bis Freitag essen, ohne dass es jetzt schlecht wird. Oder dass es hart wird.
Atmo: Atmo mit Kund:innen: Mohn und Rosine und irgendein Brot…Dankeschön...Kassenpiepsen…schöne Ostern, Tütenrascheln…und dann hier so ein Sesam und sowas…So dann hab ich alles...dann sind’s 20 Euro.
Kundin: Kundin: Und dann haben wir gehört, dass der junge Mann sein Geschäft aufmacht und dann auch noch im Holzbackofen und dadurch schmeckts nochmal `ne Idee besser. Und deswegen sind wir jetzt regelmäßig hier.
Kai: Kai: Also dass man das hier in der Gegend schafft…also mein Handwerk, was ich gelernt habe und was ich jetzt so auf meine Art und Weise mache – den Leuten das so anzubieten. Dass sie das wirklich kaufen und auch gut kaufen und auch viel kaufen. Und immer wieder kommen. Also, das macht mich schon stolz. Das hat schon eine große Bedeutung für mich.
Atmo mit Kundinnen: Atmo mit Kund:innen: Die Körnerbrötchen sind mir heute nicht gelungen…Der Teig ist mir abgeschmiert weil‘s gestern so warm war…Was isn ditte?...
Moderation: Moderation: Der Laden wird immer voller, auf den Regalen zeigen sich die ersten leeren Stellen. Bei aller Geschäftigkeit haben Kai und seine Freundin, die mit am Tresen steht, immer Zeit für einen Schwatz mit den Kund*innen. Eine Stammgästin bringt ein selbstgehäkeltes Osterkörbchen mit Schokoeiern vorbei. Anderen Oderberger*innen, die sich offensichtlich länger nicht gesehen haben, bringen sich – Brottüten in der Hand – auf den neuesten Stand.
Artur: Artur erklärt Kontakte: Es gab auch mal die Situation, dass sich hier zwei Damen kennengelernt haben, die beide Oderbergerinnen sind und sich hier zum ersten Mal getroffen habe. Kein Witz. Und das sind so Momente von denen Kai und ich auch gesagt haben: Immer wenn so ein Tag vorbei war…war man eigentlich immer erfüllt. Das ist genau das, um was es geht.
Kunden: Kund*innen: Dass es erstmal aus Oderberg kommt. Das hier wieder ein Laden eröffnet wurde. Die beiden kennen wir. Und den Holzbackofen kennen wir auch. Der steht am Puschkinufer.
Moderation: Moderation: Kai und Artur – 25 und 68 Jahre alt – sind nicht nur der Bäcker und der Puppenspieler. Sie sind auch: Der von hier und Der aus Berlin. Artur betreibt seit mehr als 20 Jahren in Berlin-Neukölln das „Kasper Theater Rixdorf“. Kai hat seine Lehre in Berlin und Potsdam gemacht und an verschiedenen Orten gearbeitet, bevor er in seiner alten Heimat sein Back-Unternehmen „Rauchzeichen“ gegründet hat.
Kai: Kai: Ich hatte wieder Bock zurückzukommen, weil hier eigentlich alles ist, was ich brauche: Freunde, Familie, Landschaft. Ich glaube, da wo man aufwächst, da fühlt man sich halt am wohlsten. Und deswegen war der Gedanke: Okay, jetzt mache ich das ganze Ding hier mit meiner Bäckerei und mobile Holzofenbäckerei und so. Dann machst du es einfach in Oderberg.
Moderation: Moderation: Noch macht der junge Bäcker alles alleine. Deshalb gibt es unter der Woche nur Dienstags und Freitags frische Backwaren. Das ist natürlich kein vollwertiges Nahversorgungsangebot. Aber es ist ein Anfang, sagt Kai.
Kai: Kai: Also natürlich geht es ums Brot verkaufen. Aber wir wollen halt auch was für den Ort machen…das einfach so ein bisschen Leben in die Bude reinkommt.
Moderation: Moderation: Für Leben in der Bude – abseits der Backtage – sorgt Artur. Der Puppenspieler betreibt unter der Woche im linken Teil des Ladens eine Art Dorfkonsum. In schlichten Holzregalen stehen Dinge des täglichen Gebrauchs. Exakt abgestimmt auf die Bedürfnisse der Bewohner*innen von Oderberg. Die Hauptzielgruppen des Ladens, sagt Artur, seien Kinder und Senioren. Die Kinder kommen auf dem Weg von der Schule zum Bus am Laden vorbei und wollen ihr Taschengeld loswerden.
Artur: Artur: Hier muss man recht flott sein, da die meisten tatsächlich mit einem Bus fahren. Es gibt so zwei, drei Rushhours. Und da hilft dann eine sogenannte Überraschungstüte. Da stehen hier immer mindestens fünf bis zehn Stück hier parat. Das ist sehr beliebt. Und ansonsten haben wir halt hier (zeigt auf Waren) zehn Cent Artikel, 25 Cent, zehn Cent, zehn Cent…
Moderation: Moderation: Kleinbeträge mit denen sich kein Geld verdienen lässt. Aber für die jungen Oderberger*innen ist der Kiosk – obwohl es ihn erst seit vergangenem Herbst gibt – schon jetzt fester Teil ihrer Kindheit. Ein Ort, an dem sie selbstbestimmt einkaufen können und auf Augenhöhe bedient werden. Etwas, dass Oderberg unverwechselbar und zur Heimat macht. So wie in den Erinnerungen die Kai an seine Kindheit hat.
Kai: Kai: Hier war ja damals auch Kiosk. Genau hier drin die Erika Kremso hat das betrieben. Und da hat man halt alles bekommen, was man als Kind braucht. Und das waren halt Süßigkeiten.
Moderation: Moderation: Auch die Senioren-Kundschaft hat sehr spezifische Wünsche, die der Einzelhandels-Autodidakt Artur per Zettel abgefragt hat.
Artur: Artur: Bei allen Zetteln an allererster Stelle...stand immer drauf: Fax und Kopiergerät. Was zusätzlich draufstand, war Batterien oder Karten oder Briefumschläge. Und dann kam auch meine Mutter rein, die sagte: Wenn die Kids mal schnell einen Tintenkiller brauchen oder, oder…Das gibt es hier alles einzeln.
Moderation: Moderation: Was es auch gibt, sind ukrainische und arabische Lebensmittel: Dattelsirup, Kaffee mit Kardamom, Frekeh - gerösteter Hartweizen. Dinge, die es nicht im Discounter oben am Berg gibt. Und die auch ein Stück Heimat sind. Für die Geflüchteten, die am Rand von Oderberg untergebracht sind. Auch sie sollen sich an diesen Ort in der Stadtmitte eingeladen fühlen. Einladend, inklusiv, kommunikativ – so soll der Kiosk OderBerg sein. Ein Ort der sich mit den Bedürfnissen des Ortes weiterentwickelt. Und der offen ist für Impulse
Artur: Artur: Eine Woche vor der Eröffnung kommt die Helga, die gerade hier war mit dem Hund. Die kam hier rein und fragte mich, ob ich eine Kasperbühne bräuchte. Und dann habe ich gesagt ja. Und dann sagte sie, sie hätte so eine alte, so eine kleine. Damit hätte sie vor vielen, vielen Jahren mit den Kindern mal gespielt. Und hätte auch noch eine Kiste mit Puppen. Aber das sei alles so ein bisschen runter. Und ich habe natürlich gesagt: Ja, sehr, sehr gerne. Weil das war so meine Absicht oder mein Plan auch zu sagen: Alles kommt von Oderberg. Alles kommt aus Oderberg. Alles kommt mit Oderberg.
Moderation: Moderation: Im November 2024 fand im Kiosk OderBerg die Premiere von „Kasper, Kaffee, Kuchen“ statt. Ein Sonntagsspezial, wo Kai und Artur alles aufbieten, was sie zur Verfügung haben
Artur: Artur: Da ist das Konzept dahinter, dass man sagt: „Kuchen von Kai und Kaffee. Und Kasper von mir. Und hier geht die Spende rein für die Sonntagnachmittage. Das ist keine kommerzielle Veranstaltung, aber Strom und Heizung und so, die wirklichen Kosten als Spenden zu machen. Popcorn machen wir dann auch immer.
Kasperltheater: Kasperltheater: Er ging los in Rixdorf und lief und lief und lief…das war in Eberwalde. Da gabs einen Bus. Da saß niemand drin. Außer dem Busfahrer natürlich. Und dann kam er über den Teufelsberg. (flüstert) Wart ihr schon mal am Teufelsberg?
Moderation: Moderation: Nachdem der erste Backwaren-Ansturm abgeebbt ist, eröffnet Artur im Hinterzimmer die Kasperbühne. Um die 15 Kinder, Großeltern und Eltern verfolgen – und kommentieren – die Geschichte auf der Bühne. Kaspertheater so wie es sein muss, improvisiert, interaktiv. Das Publikum als gleichberechtigter Mitspieler, das immer und jederzeit reinrufen darf
Der Frosch (Kasperl): Der Frosch (Kasperl): Jetzt passt auf jetzt kommt was großartiges…QuakQuak. Ich bin der Oderberger Frosch und es gibt eine alte Sage das wenn mich jemand (Erwachsene Frau ergänzt) küsst…
Artur: Artur: Wenn jemand zu mir sagt, ob ich Kasperletheater mache, dann korrigiere ich das eigentlich immer in Kaspertheater. Weil das Kasperle mit Kindern immer in Verbindung gebracht wird und man dadurch die Historie des Kaspertheaters so ein bisschen unter den Tisch fallen lässt. Es ist so, dass diese Kasperl-Figur im 14. Jahrhundert, 15. Jahrhundert, 16. Jahrhundert eine sehr wichtige sozialkritische Figur war. Der zog über die Dörfer und urteilte auf drastische Art und Weise, war sozusagen Volkes Stimme.
Moderation: Moderation: Seit dem Jahr 2021 steht das Kaspertheater auf der Unesco-Liste für Immaterielles Kulturerbe. In der Begründung wird auch die Ostdeutsche Kaspertradition erwähnt. Dort heißt es: „Puppenspielerinnen und -spieler in der DDR entdeckten den Kasper in den 1980er-Jahren als Stimme wieder, die sich kritisch mit den gesellschaftlichen Verhältnissen auseinandersetzt.“ Zur Bundestagswahl im Februar gab es sogar ein Wahl-Spezial im Kiosk OderBerg. Politisch, aber nicht unbedingt korrekt
Artur: Artur: Wahl-Kasper hieß das. Und da ging es sehr turbulent zur Sache. Weil der Kasper wurde, umgarnt von den verschiedensten Gruppierungen, also von Annalena bis Alice bis zum roten Olaf. Also es war wirklich ein Hauen und Stechen. So dass schlussendlich nur noch einer übrig blieb. Und das war der Kasper.
Moderation: Moderation: Der Kiosk OderBerg soll ein Ort sein, an dem Diskurse stattfinden können. Vielleicht angeregt vom Kasper, der einfach mal drauflospoltert, aber immer auch gut zuhört. Die Ladengründer Kai und Artur kennen die Bedürfnisse des Ortes. Zu Ihnen kommen Schulkinder, Senioren, Geflüchtete, Ferienhaus-Berliner und alle anderen. Die Lebensmittelversorgung ist zugleich Lebensmittelpunkt.
Kai (mit Artur): Kai (mit Artur): Der Stefan Backert von der MOZ, der hat gesagt wir sind die Mitte hier. Die einzige. Am Stadtmarkt. Man hat ja in den in den Umfragewerten gesehen. Dass es halt sehr links oder sehr rechts zurzeit ist. Und von der Mitte ist halt nicht mehr viel übrig.
Artur: Artur: Es fehlt die Mitte. Und die Mitte, die füllen wir gerade hier. Wo das Leben sich eigentlich abspielt, wo der Austausch sich abspielt. Egal ob mit der Stadt oder mit dem Nachbarn – reden, reden. Über die Dinge reden und nicht in den eigenen Blasen verharren, sondern die Möglichkeiten zu schaffen, die Orte zu schaffen. Ganz egal, in welchem Kaff oder in welchem Dorf oder in welcher Kleinstadt das stattfindet. Und Oderberg steht da ganz oben als Beispiel, wie man eine Mitte, eine Stadtmitte, so totmachen kann, dass nichts mehr existiert. Dass sich keiner traut, den Gedanken zu erwägen, etwas anzufangen, weil sofort es heißt: Das kann nur schiefgehen. Wie willst du was erwirtschaften, da ist doch kein Publikum mehr. Du hast keine Laufkundschaft.
Moderation: Moderation: „Das lohnt sich doch nicht“, diesen Satz haben Kai und Artur immer wieder gehört. Und es lohnt sich wirklich nicht – wenn man mit rein finanziellen Maßstäben an die Sache rangeht. Die Gemeinde war von Anfang an skeptisch gegenüber der Idee einen Laden in bester Lage an einen Berliner Künstler und einen noch sehr jungen Bäckerei-Gründer zu vermieten. Ausschlaggebend war am Ende war wahrscheinlich dass Kai aus Oderberg kommt, vermuten die beiden. Herzlich war der Empfang trotzdem nicht.
Kai: Kai: Also in gewissen Ämtern oder gewissen Bereichen, da kam keiner oder hat mal gratuliert oder so. Für das, was wir hier gemacht haben hätte man einfach viel mehr Unterstützung oder viel mehr Engagement von der Stadt haben sollen. So ein: Mensch, jetzt sind endlich mal welche, die was machen wollen.
Moderation: Moderation: Die monatliche Ladenmiete, die Kai und Artur an den kommunalen Vermieter bezahlen, liegt bei rund 830 Euro. Kalt, also ohne die Heizkosten, die in dem Altbau im Winter ordentlich ins Geld gehen. Ab dem zweiten Mietjahr wird zusätzlich eine Gewinnbeteiligung fällig. So viel Geld mit Süßigkeiten zu Centbeträgen, Kaspernachmittagen auf Spendenbasis und handwerklichen Backwaren zu verdienen ist eigentlich nicht möglich. Auch wenn es – dank kreativer Ideen – besser läuft als gedacht.
Artur: Artur: Wir haben uns das viel einsamer vorgestellt. Das war es glücklicherweise nicht. Im Winter. Am 19.01. haben wir noch einen Kinderflohmarkt dazu gemacht. Das war ein wunderbarer Nachmittag. Weil dieser Nachmittag hat so gezeigt, dass die Familien mit Kindern, hier aus den umliegenden Dörfern, aus Liepe oder aus Lunow die waren auf einmal hier.
Moderation: Moderation: Trotzdem mussten sich Kai und Artur am Ende eingestehen, dass es so nicht weiter funktioniert. Sie werden den Laden nur noch bis zum August 2025 betreiben. Die Kündigung ist schon unterschrieben. Kai hat für seine Bäckerei einen Laden ein bisschen weiter oben an der Angermünder Straße angeboten bekommen. Zu fairen Bedingungen. Artur wird im Rathaus regelmäßig Kasper spielen. Im September soll noch ein Abschiedsfest gefeiert werden. Es wird weiter gehen. Nur eben anders. Wie schon so oft in Oderberg.
Artur (mit Kai): Artur (mit Kai): Ende ist nichts Schlimmes, weil Ende ist ein Anfang. Und ich glaube, dass es hier drinnen zu einem Ende kommt und woanders weitergeht, also in dieser Stadt weitergeht. Das ist, glaube ich, das alles Entscheidende. Da können wir uns wirklich auf ganz schwer auf die Schulter klopfen und sagen: Was wir hier wirklich gerockt und gemacht und getan haben. Mit den Kids und allem, ja, da können wir wirklich stolz sein. Punkt!
Moderation: Moderation: Das war eine Folge der Podcast-Serie „Vielfalt in Brandenburg“ über den Kiosk OderBerg. Der hat noch bis September geöffnet und dann geht es an anderen Orten in der Stadt weiter. Alle Folgen und Hintergrundinformation findet ihr auf der Website www.boell-brandenburg.de. Diese Reihe und alle weiteren Podcasts der Heinrich-Böll-Stiftung könnt ihr auf der Podcast-App Eurer Wahl abonnieren. Für Feedback und Anregungen schreibt uns eine Mail an: info@boell-brandenburg.de und empfehlt uns gerne weiter. Ich bin Franziska Walser. Tschüss und bis zum nächsten Mal.
SCHLUSSJINGLE Böll Regional: Jingle: Vielfalt in Brandenburg. Ein Podcast der Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg.
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