Aktiv gegen Antiziganismus in Brandenburg
Shownotes
In der ersten Folge unserer Böll.Regional Podcastreihe „Vielfalt in Brandenburg“ stehen Elisa, Estera, Naomie und David im Zentrum. Sie sind zwischen 15 und 22 Jahren alt und engagieren sich bei „Wir sind hier“ - einem Bildungsprogramm gegen Antiziganismus, das 2020 gegründet wurde. Die Jugendlichen geben Peer-Trainings in Schulen, stehen auf der Bühne oder denken sich Instagram-Formate aus – alles mit dem Ziel, Vorurteile gegen Sintizze und Romnja abzubauen. Gemeinsam mit der Projektleiterin Veronika Patočková wollen die vier Berlinerinnen und Berliner auch Jugendliche auf dem Land erreichen. Aber der Aktivismus in Brandenburg stellt sie vor ungeahnte Herausforderungen.
Projektseite von „Wir sind hier“: http://romatrial.org/projekte/wir-sind-hier/ https://www.instagram.com/wirsindhier_berlin/
ABC gegen Antiziganismus: https://www.instagram.com/p/CIvEENRqr-p/?utm_source=ig_web_copy_link
Landesverband Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg e.V.: https://www.sinti-roma-berlin.de/
Ergebnisse der RomnoKher Studie zur Bildungssituation von Sinti* und Roma*: https://www.sinti-roma.com/romnokher-studie-2021-ungleiche-teilhabe-zur-lage-der-sinti-und-roma-in-deutschland/
Foto: © Jana Kiesser
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Atmosphäre: Atmosphäre: Aufwärmen für Probe Namen / Klatschen stampfen: Elisa, Estera, Naomi, David
Veronika: Veronika: Und ich glaube, das ist sozusagen die Kunst, solche jungen Menschen zu finden, die jetzt schon Lust haben, Sachen zu verändern.
Atmosphäre: Atmosphäre: (Szene aus Theaterstück: Estera wütend) Gehör verschaffen brauchen wir nicht! Gehör verschaffen wir uns alleine. Was wir brauchen ist Gerechtigkeit.
David: David: Ich kenne ein paar, die mir gesagt haben: Ich will nicht erzählen, dass ich ein Roma bin, weil danach sehe ich diese Leute auf der Straße, und dann machen die mich an, dass ich ein Roma bin. Aber wir wissen, dass das nicht so ist, weil wir sensibilisieren und sagen: das macht man nicht so.
Jingle: Moderation: (auf Soundbett) Ich bin Franziska Walser und das ist der erste Teil unserer Reihe „Vielfalt in Brandenburg“. In diesem Podcast wollen wir Menschen aus Brandenburg und ihre Lebensentwürfe vorstellen und darüber sichtbar machen wie vielfältig Brandenburg ist. Heute geht es um junge Sinti und Roma in Berlin und Brandenburg. Ganz konkret um Elisa, Estera, Naomi und David – vier junge Menschen die mich mit ihrer Klugheit, ihrer Energie und Herzlichkeit wirklich beeindruckt haben. Elisa, Estera, Naomi und David engagieren sich bei „Wir sind hier“ einem Bildungsprogramm gegen Antiziganismus, das in Berlin schon sehr aktiv ist und gerade dabei ist, seine Arbeit auch in Brandenburg auszubauen. Die vier sind zwischen 15 und 22 Jahren alt und haben – wie alle jungen Menschen in dem Alter – viel zu tun: Ausbildung, Freundschaften, Liebe, Familie. Trotzdem engagieren sie sich mit viel Zeitaufwand und Kreativität gegen Antiziganismus – also gegen die Diskriminierung von Sinti und Roma: Sie geben Peer-Trainings in Schulen, sie stehen auf der Bühne, sie denken sich Instagram-Formate aus – wie das A-Z gegen Antiziganismus. Unterstützt werden sie dabei unter anderem von Veronika Patočková, die das Bildungsprojekt „Wir sind hier“ seit der Gründung 2020 leitet.
Veronika: Veronika: Das waren so kurze Videos, die maximal eine Minute lang waren, von A bis Z, von A wie Antiziganismus bis Z wie Zukunft. Und in den verschiedenen Folgen haben sie dann sehr viele Sachen erklärt, sei es zum Beispiel P wie Porajmos. Das ist das Romanes Wort für den Völkermord.
Insta-Audio: Insta-Audio: A wie Antiziganismus. Antiziganismus ist eine besondere Form von Rassismus die sich gegen Sinti und Roma richtet – Beziehungsweise gegen die, die vermeintlich als Sinti und Roma erkannt werden oder nicht erkannt werden. …
Moderation: Moderation: In dem Video sieht man Estera und David vor einem poppigen Hintergrund in lässiger Straßenkleidung. Schnelle Schnitte, professionelle Texte – die zwei sind echte Influencer. Nur das es ihnen nicht um Modelabels oder Schminke geht, sondern um politische Inhalte.
Fortsetzung Insta-Audio: Fortsetzung Insta-Audio: … 10 Jahre in der Schule und du wirst immer noch diskriminiert. Oder heutzutage werden immer noch Sinti und Roma in verschiedenen Ländern sterilisiert. Oder eine Person positiv auf Corona getestet, ganze Community in der Quarantäne.
Moderation: Moderation: Über 1600 Mal wurde das Insta-Video für den Buchstaben „A wie Antiziganismus“ angeklickt. Entstanden ist die Idee des Alphabets mitten im Corona-Winter 2020 – zu einem Zeitpunkt, als die Arbeit von „Wir sind hier“ eigentlich komplett ausgebremst war: Kongresse, Schul-Workshops, Theatervorstellungen – nichts ging. Estera, David, Naomi und Elisa haben mit ihren Videos trotzdem einen Weg gefunden, um junge Menschen – ihre Peers – zu erreichen.
David: David: Unsere Community hat sich gefreut über die Wörter, die wir benutzt haben auf Romanes. Es gibt, jetzt noch so Jugendliche, so 14 oder so. Die wenn die mich sehen, schreien die Wörter aus diesem Videos – was wir da gesagt haben.
Moderation: Moderation: Während David das erzählt, sitzen die drei anderen drumherum – hören zu, albern rum, ergänzen. Man spürt die Vertrautheit der Gruppe. Trotz des Altersunterschieds. Wir haben uns in den Räumen von RomaTrial zum Interview verabredet. RomaTrial ist eine Selbstorganisation von Roma und nicht-Roma, die unter anderem die jährliche Roma-Bienale und den Roma-Day veranstaltet. Der Verein hat das Bildungsprojekt „Wir sind hier“ ins Leben gerufen, das mit Mitteln aus dem Bundesprogramm „Demokratie Leben“ finanziert wird. Die Räume von RomaTrial liegen zentral – neben der Berliner Volksbühne in der Nähe des Alexanderplatz. Hier treffen sich David, Estera, Naomi und David jeden Mittwochnachmittag. Meistens aber öfter.
Estera und Naomi: Estera und Naomi: Natürlich treffen wir uns auch manchmal zweimal in der Woche oder so. Aber das ist jetzt nicht: Mein Gott, ich treffe mich jetzt mit denen. Ich habe keinen Bock! Das Gegenteil… Weil wir uns so voll oft austauschen wollen, was in unserem Leben so passiert. Wir sind ja außerhalb der Gruppe auch voll befreundeten ineinander.
Moderation: Moderation: Estera und Naomi sind Schwestern. Estera – 18 – bereitet sich auf ihr Abitur vor. Naomi – 17 – lernt für einen guten MSA. Ihren Aktivismus müssen die beiden um Schule, Hausaufgaben und Prüfungen herumorganisieren. Ein Kraftakt. Aber gleichzeitig ist das Engagement bei „Wir sind hier“ für sie ein Ausgleich, ein Ventil, eine politische Notwendigkeit
Estera: Estera: Das steht uns ganz frei. Wir können auch alles absagen, wenn wir wollen. Aber das wollen wir nicht. Wir haben diesen Wille, dass wir jedes Mal dabei sind, obwohl wir auch Hausaufgaben machen und auch andere Sachen machen.
Elisa: Elisa: Bei mir ist jetzt so viel angesagt. So viele Klassenabreiten so viele Tests. Dieses MSA ist nicht irgendwas. Es kommt drauf an ob ich mein Abitur machen kann
David: David: Ich glaube, es gibt nur zwei Optionen: Entweder ziehst du dich zurück. Und vielleicht fällst du auch in so eine richtige Depression rein. Oder du bist stark und wirst Aktivist und kämpfst gegen das, auch wenn dein Leben auf dem Spiel steht. Weil zum Beispiel nicht jeder geht auf eine Demo und spricht da und sagt das und das. Und weil am Ende werden irgendwelche Leute kommen und sagen „Ich bin anderer Meinung“. Und vielleicht werden sie dich verletzen. Oder kommt es auch zu Gewalt. Und dieses Risiko kennen wir. Um das gehen wir ein – für uns und für unsere Community.
Moderation: Moderation: In den Wochen, in denen ich Estera, Elisa, David und Naomi begleite, jagt ein Termin den nächsten. Theatervorstellungen in Berlin und Brandenburg, Eröffnung einer Ausstellung mit Fotos aus der Roma-Community, eine Fachtagung über Antiziganismus im Bildungssystem. Der Kern der Arbeit von „Wir sind hier“ aber ist die Wissensweitergabe in Workshops. Die vier Jugendlichen gehen als Peer-Trainerinnen und – Trainer in Schulen und andere Bildungseinrichtungen. David ist mit 22 Jahren der älteste der Gruppe und auch am längsten dabei. Schon vor der Gründung von „Wir sind hier“ hat er sich bei dem Verein „RomaTrial“ engagiert und z.B. Reden auf Demos gehalten. Auf dem „Kongress der junge Roma und Sinti“ traf er die Schwestern Estera und Naomi, die aus demselben rumänischen Dorf stammen wie David selbst: Fantanele – vierzig Kilometer nördlich von Bukarest. Elisa, 15 Jahre alt, kam als letztes zur Gruppe dazu. Über ein Pflichtpraktikum in der 9. Klasse, dass sich als echter Glücksfall herausstellte. Aus dem Mobbing der Mitschülerinnen und Mitschüler ist Anerkennung geworden, seit sich herumgesprochen hat, dass Elisa regelmäßig auf der Theaterbühne steht und Workshops gibt
Elisa: Elisa: Mittlerweile wissen es auch meine Lehrer und loben mich immer. Also die wollen jetzt auch, dass ich einen Workshop an meiner Schule gebe. Was ich super finde, weil, das gibt mir halt richtig Motivation und so.
Atmosphäre: Atmosphäre: Aufwärmübung mit Publikum: Boomtschakaboom. Mhhmm. Oh yeah.
Moderation: Moderation: Elisa, Estera, Naomi und David sind Pioniere. Vorbilder für eine selbstbewusste Roma-Jugendbewegung. Nicht nur in Berlin, sondern auch in Brandenburg und Sachsen, wo derzeit eigene Gruppen aufgebaut werden. Die Nachfrage nach den Peer-Workshops in Schulen ist groß – erzählt die Projektleiterin Veronika Patočková – das Projekt könnte ruhig noch etwas mehr Peer-Trainer brauchen. Aber es ist schwer Jugendliche zu finden, die sich engagieren wollen.
Veronika: Veronika: Natürlich ist es viel verlangt. Also die Ausbildung als Peer-Trainier*innen dauert schon so ungefähr ein halbes Jahr und es gehören viele Workshops dazu. Die Jugendlichen haben, glaube ich so, 20 verschiedene Workshops durchgemacht. Die waren teilweise 2-3 Stunden, teilweise auch ein ganzen Wochenende. Das heißt, es war schon sehr anspruchsvoll.
Atmosphäre: Atmosphäre: Zertifikat Verleihung: Elisa .. Klatschen … Dankeschön.. Estera… Klatschen … Dankeschön .. David … Naomie .. wir sind alle megastolz auf euch und die richtige Arbeit fängt ja jetzt erst an … das stimmt allerdings.
Moderation: Moderation: September 2021 – ich darf dabei sein, als die vier den Abschluss ihrer Peer-Training-Ausbildung feiern. Die Stimmung ist ausgelassen auf dem Tisch steht ein improvisiertes Buffet aus Obst und Kartoffelchips. Es ist Sonntagnachmittag und hinter den vieren liegt ein langes intensives Wochenende mit Theorieunterricht und Praxisübungen. An Stellwänden hängen bunte Sprechblasen mit Fachwörtern wie Stereotyp, Mehrheitsgesellschaft oder Ideologie.
Atmosphäre: Atmosphäre: Spiel Vorurteile: Mobbing, Diskriminierung, Rassismus´.. Musik, du kannst gut Geige spielen? … Vorurteile
Moderation: Moderation: Um die Inhalte spielerisch zu vertiefen, haben sich die Trainerinnen zum Abschluss etwas Besonderes ausgedacht. Auf Zetteln stehen Begriffe, die entweder als Pantomime vorgespielt oder erklärt werden müssen, während die andere raten.
Atmosphäre: Atmosphäre: Naomi erklärt Identität: Also wir sind doch alle Menschen. Ja?!.. ich geb mal ein Beispiel: Ich bin eine Romni aus Rumänien und ich gehe in die Schule und ich lüge. Wie nennt man das? Ich ändere meine…. Identität!! Genau. Ich hab‘s gesagt!
Moderation: Moderation: Neben den Fachbegriffen lernen die Peers Methoden, wie sie in einer Schülergruppe die Themen Rassismus und Antiziganismus besprechen. Wie kann man reagieren, wenn jemand anfängt die Trainerin oder den Trainer zu beleidigen? Wie spricht man Tabus an? Auch hier helfen spielerische Übungen wie zum Beispiel „Punkt auf der Stirn“. Dabei bekommen alle Teilnehmenden der Gruppe verschiedenfarbige Klebepunkt auf die Stirn. Niemand weiß, welche Farbe er selbst hat. Dann fordern die Peertrainer die Gruppe dazu auf, sich in Untergruppen aufzuteilen – ohne dabei zu reden.
Estera: Estera: Man kann sehen, wie sich dann die Teilnehmenden und zu einer Gruppe bilden, obwohl man nicht gesagt hat, dass man die irgendwie mit der gleichen Farbe oder so zuordnen soll. Und man sieht dann, dass die sich dann eher da zuordnen, wo man sieht das der gleiche Punkt auf der Stirn ist.
Veronika: Veronika: Das heißt, man wird sozusagen anhand von einer äußerlichen Veränderung, für die man nichts kann und die man nicht beeinflussen kann, zu irgendeiner Gruppe zugeordnet. Und das ist oft das erste Mal, wo weiße, privilegierte Menschen überhaupt erleben, wie sich das anfühlt. Und das ist zwar ein banales Spiel, aber dieses Erlebnis ist manchmal sehr wichtig.
Moderation: Moderation: Schon während der Ausbildung haben Naomi, Estera, Elisa und David die ersten Workshops in Schulen gegeben. Manchmal persönlich. Öfter – wegen der Corona-Beschränkungen – als Onlineseminar. Wenn sie über ihre Erfahrungen sprechen, hört man den Stolz, die Überwindung und das persönliche Wachstum, das die neue Verantwortung mit sich bringt.
Elisa: Elisa: Also wenn man sich richtig darauf vorbereitet hat und wenn man so richtig tapfer ist, dann ist es eigentlich gar nicht schwer… jetzt bin ich daran gewöhnt. Jetzt traue ich mich mehr. Jetzt ist das schön. Und vor allem macht es Spaß.
David: David: Zum Beispiel hatten wir einen Workshop gehabt, wo dann ein Mädchen zu uns gekommen ist, und es hat uns gesagt: Voll cool, dass hier das macht. Ich erlebe dasselbe in dieser Klasse. Und ich habe mir immer gewünscht, dass jemand das aufklärt. Und sie haben das super gemacht und danke euch so. Und da erfüllen wir auch Wünsche, die nicht gesagt werden.
Estera: Estera: Ich habe nie gelernt in der Schule wie ich eine Methode anwenden würde oder was manche Begriffe bedeuten. Was sind Ideologien, was Institutionalisierung, was Interaktion und was Internalisierung bedeutet. So etwas lernt man nicht in der Schule.
Moderation: Moderation: Zum Konzept von „Wir sind hier“ gehört es, dass sich jede Gruppe ein Bildungstool aussucht und ausprobiert. Welches, das entscheiden die Teilnehmenden selbst. Estera, David, Elisa und Naomi haben sich für das „Forum-Theater“ entschieden – eine Methode, die der Brasilianer Augusto Boal für sein „Theater der Unterdrückten“ entwickelt hat.
Atmosphäre: Atmosphäre: Theater 8: Und als erstes knallen wir alle Busfahrer und Kassiererinnen und Türsteher von Diskotheken ab.
Moderation: Moderation: „Wir sind hier“ heißt das zweite Theaterstück, das Naomi, Estera, Elisa und David zusammen mit dem Projektteam entwickelt haben. Radikalisiert durch die jahrhundertelange Verfolgung und Diskriminierung ihrer Community sehen einige Figuren des Stücks nur noch einen Ausweg: Sie wollen eine bewaffnete Roma-Armee gründen.
Atmosphäre: Atmosphäre: Theater: [Dialog] Das kannst du nicht machen! Und wie wir das können! Die behandeln uns nämlich wie Dreck und letztens hat mich einer von denen Zigeunerin genannt das lass ich mir auf keinen Fall bieten. Du kannst doch nicht einfach irgendwelche Menschen erschießen bist du bescheuert oder was!
Moderation: Moderation: Das Theaterstück ist eine dichte Erzählung über Wut, Frustration aber auch über historische Aufbruchsmomente und den Wunsch nach einer konstruktiven Lösung, nach einem besseren Miteinander. Und es ist ein Crashkurs in der Geschichte der Roma und Sinti. Angefangen beim ersten Roma Weltkongress vor 50 Jahren.
Atmosphäre: Atmosphäre: Theater: Am 8. April 1971 haben sich 23 Roma und Sinti aus 14 Ländern in Oppington bei London getroffen und den ersten Roma-Weltkongress gegründet. Die Themen waren soziale Gerechtigkeit und die Aufarbeitung der Vergangenheit.
Moderation: Moderation: Über die Arbeit an dem Theaterstück und die Peer-Trainings sind die Jugendlichen auch ihrer eigenen Identität als Rom oder Romni nähergekommen. Sie haben eine Geschichte kennengelernt, über die in ihren Familien oft geschwiegen wurde. Und sie haben den Mut gefunden zu ihrer Herkunft zu stehen.
Elisa: Elisa: Ich wusste nicht mal, woher dieses Z-Wort kommt. Ich wusste halt einfach nix, nichts darüber.
David: David: Und zum Beispiel meine Großmutter meinte zu mir: sage nicht, dass du Roma bist, weil du weißt nicht, was zu meinen Zeiten damals passiert ist.
Estera: Estera: Meine Eltern haben mich die ganze Zeit damit unterstützt. Also: sag wer du bist… Die haben mir aber auch nicht so viele Sachen erzählt. Und das heißt ich musste selber mal meine Identität herausfinden. Die konnten mir nicht dabei helfen, Erlebnisse oder Geschichten zu erzählen, weil sie es einfach nicht selber auch nicht wirklich wissen.
Naomi: Naomi: Also ich kenne zum Beispiel Leute aus meiner Schule, die halt aus Bulgarien kommen oder aus Serbien. Und die nicht sagen, dass die Roma sind, obwohl die halt Roma sind. Ich weiß das halt. Und die verstecken sich damit sie nicht diskriminiert werden oder gemobbt werden oder ausgelacht werden. Aber ich weiß nicht. Irgendwann mal wird es halt rauskommen, weil warum versteckst du dich? Du musst eigentlich stolz sein, dass du Roma oder Romni bist.
Veronika: Veronika: Das ist ja auch unser Ziel oder unsere Aufgabe, die Jugendlichen so weit zu stärken, dass sie das können. Und deswegen freuen wir uns auch, dass dieses Projekt insgesamt fünf Jahre lang geht, weil wenn man sich das vorstellt: manche Jugendliche sind 15, wenn sie ins Projekt kommen und wenn es dann beendet wird – das wissen wir ja nicht, ob das dann weitergeht – aber dann sind sie 20. Also, das ist jetzt fünf Jahre, die sind im Leben tatsächlich auch entscheidend. Und wir sehen das als unsere Aufgabe, diese Menschen dabei zu begleiten, dass sie nicht nur für sich sondern auch für die Gesellschaft eine Zivilcourage entwickeln.
Atmosphäre: Atmosphäre: Atmo Zug / Bahnsteig / Begrüßung: Hallo! Kommt ihr alle aus Berlin? Ja! Ihr wohnt alle in Berlin?
Moderation: Moderation: Anfang Oktober 2021 – ich bin mit Veronika, Elisa, Estera, David und Naomi in Bernau verabredet. Sie geben in einem Jugendclub eine Vorstellung des Forum-Theaterstücks „Wir sind hier“. Es ist ein Versuch, die Arbeit aus der gut vernetzten Hauptstadt aufs Land, in die Fläche, nach Brandenburg zu bringen. Seit der Gründung des Projektes Anfang 2020 versuchen Veronika Patočková und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter eine Jugendgruppe in Brandenburg aufzubauen. Immer wieder ergeben sich Kontakte, die aber letztlich im Sande verlaufen.
Veronika: Veronika: In Berlin ist es relativ einfach, Menschen zu erreichen. Also es gibt Wohngegenden, in denen viele Roma-Familien wohnen. Und dann es ist auch einfach, sie da zu finden. In Brandenburg und in Sachsen ist die Schwierigkeit, dass einfach die Regionen so groß sind und die Menschen dann lange anfahren müssen, um überhaupt irgendwo hinzukommen. Deswegen ist es vielleicht auch so, dass es im Gegensatz zu Berlin nicht so viele Selbstorganisationen gibt.
Moderation: Moderation: Zu den Hürden die es ohnehin gibt – Zeitmangel, fehlende Motivation oder die Angst als Rom oder Romni sichtbar zu werden – kommen in Brandenburg die weiten Wege und die schlechten Verkehrsverbindungen. Was nicht heißt, dass es auf dem Land in Brandenburg keinen Bedarf für die Arbeit von „Wir sind hier“ gäbe. Im Gegenteil: Auch hier leben viele migrantische Roma, sagt Veronika Patočková. Obwohl es schwer ist, exakte Zahlen zu ermitteln. David hat selbst erlebt wie groß der Bedarf an Aufklärung und Aktivismus in Brandenburg ist.
David: David: Meine Freundin kommt aus Brandenburg – ich bin fast jeden Tag da, also Abends bei ihr. Und ich glaube, es wäre sinnvoller und wichtiger in Brandenburg diese Workshops zu geben, da die Leute keine, keine, keine Ahnung, über uns haben. 99,9 Prozent der Leute, die ich die kennengelernt habe, aus Brandenburg, wissen nicht, was ein Roma ist und wenn ich sage „ich bin Roma“ denken, die ich komme aus Rom und dann sagen die: „ah kennst du Giovanni? Spricht du italienisch?“ Und wenn ich sage „Ich komme aus Rumänien“ sagen sie: „Ah du spricht rumänisch: Rumänien, Roma ist das gleiche“ Nein!
Atmosphäre: Atmosphäre: (nach Theaterstück) Was sind eure Ideen, um konkret die Situation der Roma zu verbessern? … Klatschen
Moderation: Moderation: In dem Jugendclub in Bernau wird nach der Vorführung von „Wir sind hier“ angeregt diskutiert. Mit welchen konkreten Aktionen könnten Roma und Sinti auf ihre Interessen aufmerksam machen? Wie lässt sich zum Beispiel verhindern, dass das „Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma“ im Berliner Tiergarten dem Bau einer U-Bahn-Linie weichen muss? Sollte man sich an die Bäume ketten? Wie könnte ein Dialogprozess in einem Jugendzentrum aussehen, wo Antiziganistische Äußerungen an der Tagesordnung sind? David, Estera, Naomi und Elisa haben für ihre Themen ein Publikum in Brandenburg gefunden. Der nächste Schritt ist es dort Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu finden, die eine eigene Gruppe aufbauen wollen. Zum Beispiel in Potsdam, wo es schon Kontakt zu einer jungen Romni gibt, erzählt die Projektleiterin Veronika Patočková.
Veronika: Veronika: Die hat tatsächlich einer Jugendlichen aus der Gruppe auf Instagram geschrieben, dass sie das toll findet, was sie macht und wie aktiv sie ist – mit Theater und Demos. Und dass sie sich auch sehr gerne engagieren möchte. Aber halt keinen Anschluss findet in Potsdam, dass es da keine Gruppe gibt, an die sie sich wenden könnte. Und ob sie bei uns was machen könnte. Das meine ich mit der Vorreiterrolle unserer Gruppe. Also die sind dann wirklich auch Vorbilder, die dann auch überregional leuchten und zeigen, dass es geht. Und dass es möglich ist, was zu verändern.
Moderation: Moderation: „Wir sind hier“, das soll in Zukunft nicht nur für Berlin gelten, sondern auch für Brandenburg. Und bis dahin sind Estera, Elisa, David und Naomi dort aktiv, wo sie noch im letzten Winkel von Deutschland Roma-Jugendliche erreichen: In den Sozialen Netzwerken.
Ausschnitt Insta: Ausschnitt Insta-ABC-Z: Über Z wollen wir gar nicht reden. Ihr wisst schon. Reden wir doch lieber über die Zukunft. Wir wünschen uns für die Zukunft viel Liebe – du meinst Love. Das heißt bei uns Geld. Aber auch Zaster. Auch das wünschen wir euch. Vor allem wünschen wir euch viel Gesundheit, viel Glück und viel Freude. Passt auf euch auf. Und einen guten Rutsch!
Moderation: Moderation: (auf Soundbett) Das war der erste Teil unserer Podcast-Serie „Vielfalt in Brandenburg“ ein Podcast in der Reihe Böll.Spezial. Diese Reihe und alle weiteren Podcasts der Heinrich-Böll-Stiftung könnt ihr auf Spotify, Apple Podcasts oder der Podcast-App Eurer Wahl abonnieren. Im nächsten Teil dieser Reihe porträtiert meine Kollegin Mandy Schielke zwei lesbische Aktivistinnen, die in Brandenburg leben und sich dort engagieren. Alle Folgen und Hintergrundinformation findet ihr auf der Website www.boell-brandenburg.de. Für Feedback und Anregungen schreibt uns eine Mail an: info@boell-brandenburg.de und empfehlt uns gerne weiter. Ich bin Franziska Walser und dieser Podcast ist eine Produktion des Audiokollektivs. Tschüss und bis zum nächsten Mal.
Jingle: Jingle
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